BVerwG, 31.01.2013 - 2 C 10.12: Urlaubsabgeltungsanspruch für kranke Beamte bei Ruhestandseintritt
Gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 31.01.2013 haben auch Beamte - unter bestimmten Voraussetzungen - Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
In der vorliegenden Entscheidung billigte das BVerwG einem Beamten, der krank aus dem aktiven Dienst ausschied und krankheitsbedingt seinen Urlaub vor Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen konnte, einen unionsrechtlich begründeten Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe des Mindesturlaubs zu.
(Symbolbild)
Die Entscheidung ist insofern bemerkenswert, als das Beamtenrecht, anders als das Arbeitsrecht, keinen originären Anspruch auf Urlaubsabgeltung kennt. Insbesondere gilt die arbeitsrechtliche Bestimmung des § 7 Abs. 4 BUrlG nicht für Beamte. Denn das BUrlG gilt nur für "Arbeitnehmer". So heißt es in § 1 Abs. 1 BUrlG (Hervorhebung nicht im Original):
"Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub."
Da es sich beim BUrlG um ein inländisches (deutsches) Gesetz handelt, gilt insofern der deutsche Arbeitnehmerbegriff. Nach deutschen Rechtsverständnis sind aber Beamte gerade keine Arbeitnehmer. Spricht also ein deutsches Gesetz einem Arbeitnehmer eine Rechtsposition zu, kann sich ein Beamter hierauf nicht berufen.
Urlaubsregelungen finden sich allerdings nicht nur im deutschen Recht, sondern vielmehr auch im Unionsrecht (europäischen Recht). Dies gilt insbesondere für die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG). Diese Richtlinie richtet sich zwar auch an Arbeitnehmer; so heißt es zum Beispiel in Artikel 7 (Hervorhebung nicht im Original):
"Jahresurlaub
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung
erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden."
Allerdings gilt für die vorbezeichnete Richtlinie der Arbeitnehmerbegriff des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hat seit langem entschieden, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt - so das BVerwG - grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22).
Da nach der Rechtsprechung des EuGH der Urlaub auch bei Dauerkrankung nicht automatisch verfällt, muss somit auch Beamten ein unionsrechtlich begründeter Urlaubsabgeltungsanspruch im Falle von krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub zustehen.
Der unionsrechtlich gebotene Urlaubsabgeltungsanspruch ist auf den Mindesturlaubsanspruch der RL 2003/88/EG beschränkt:
"Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt." (Rdnr. 18)
Die vom EuGH gebilligte Begrenzung des Übertragungszeitraums wird im Übrigen auch vom BVerwG nachvollzogen, d.h. der Urlaub verfällt 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres (Hervorhebung nicht im Original):
"Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt." (Rdnr. 22)
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zur Berechnung und Verjährung wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe verwiesen.
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))