BGH, 22.04.2008 - VI ZR 237/07: Im 130%-Fall muss repariertes Fahrzeug 6 Monate genutzt werden
Mit Urteil vom 22.04.2008 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass auch ein Geschädigter, der sein Fahrzeug vollständig ud fachgerecht repariert, im Falle eines Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30% übersteigt, die Reparaturkosten im Regelfall nur verlangen kann, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt.
Im entschiedenen Fall ging es um einen Verkehrsunfall vom 14.09.2006.
Die alleinige Haftung des Beklagten stand dem Grunde nach außer Streit.
Die Parteien stritten allerdings um die Höhe des Schadensersatzes.
Die Reparaturkosten überstiegen den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, lagen allerdings knapp unter der 130%-Grenze.
(Symbolbild)
Die Reparaturkosten wurden von der Werkstatt unter dem 29.09.2006 abgerechnet. Der Kläger verkaufte sein repariertes Fahrzeug bereits im November 2006.
Er begehrte mit seiner Klage die Zahlung sämtlicher Reparaturkosten. Der Beklagte zahlte dagegen nur einen Betrag im Bereich des um den Restwert gekürzten Wiederbeschaffungswertes.
Der BGH wies die Klage ab.
Er referierte zunächst nochmals die Rechtsprechung zu den sog. 130%-Fällen. Demnach ist der Geschädigte, obwohl die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, unter bestimmten Umständen - insbesondere vollständige und fachgerechte Reparatur - gleichwohl berechtigt, sein Fahrzeug reparieren zu lassen und Ersatz der Reparaturkosten zu verlangen:
"Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats hat der Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 364, 371; 162, 161, 166; 162, 170, 173). Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, steht mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot aber nur im Einklang, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt, um dieses Fahrzeug nach der Reparatur weiter zu nutzen. Sein für den Zuschlag von bis zu 30 % ausschlaggebendes Integritätsinteresse bringt der Geschädigte im Regelfall dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt." (Rdnr. 5)
Anschließend wies der BGH darauf hin, dass der Geschädigte sein bei einem 130%-Fall notwendiges Integritätsinteresse nicht nur Fällen, in denen er in Eigenregie repariert, sondern auch bei einer sonstigen Reparatur, regelmäßig dadurch zum Ausdruck bringt, dass er das Fahrzeug sechs Monate nach der Reparatur weiter nutzt:
"Die Frage, wie lange der Geschädigte sein Fahrzeug weiter nutzen muss, um sein Integritätsinteresse hinreichend zum Ausdruck zu bringen und auf Reparaturkostenbasis abrechnen zu können, ist für die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, in der eine konkrete Abrechnung aufgrund einer in einer Fachwerkstatt erfolgten vollständigen und fachgerechten Reparatur erfolgt, nicht anders zu beurteilen. Auch hier trifft der aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot folgende Grundsatz zu, dass allein ein Integritätsinteresse am Behalten des vertrauten Fahrzeugs die Erstattung des höheren Reparaturaufwandes rechtfertigt, wenn bei der Reparatur der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs überschritten wird. Ist dies nicht - etwa durch eine Weiternutzung von sechs Monaten - nachgewiesen, kann der Geschädigte mithin im Regelfall nur den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen." (Rdnr. 6)
Da der Kläger im entschiedenen Fall auch keine Umstände dargelegt hatte, die ausnahmsweise ein Integritätsinteresse trotz der nicht ausreichenden Weiternutzung begründen konnten, wurde seine Klage auf weitergehenden Schadensersatz abgewiesen.
(Quelle: BGH, Urteil v. 22.04.2008, VI ZR 237/07)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldbrück-Bergshausen (LK Kassel))