BGH, 05.03.2014 - VIII ZR 205/13: Keine fiktive Schadensberechnung bei Verlust von Wohnungsschlüssel
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich in seiner Entscheidung vom 05.03.2014 mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen ein Mieter für den Verlust eines zu einer Schließanlage gehörenden Wohnungsschlüssels Schadensersatz leisten muss.
Hintergrund der Entscheidung bildete der Fall einer vermieteten Eigentumswohnung. Als das Mietverhältnis endete, gab der Mieter nur einen von zwei überlassenen Wohnungsschlüsseln zurück.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte nunmehr vom vermietenden Eigentümer einen Kostenvorschuss von € 1.486,00, da aus Sicherheitsgründen der Austausch der Schließanlage erfoderlich sei.
Der Vermieter verrechnete das Kautionsguthaben des vormaligen Mieters und verlangte klageweise von ihm Leistung des verbleibenden Betrages an die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG).
(Symbolbild)
Der BGH stellte nun zunächst fest, dass - grundsätzlich - ein Schadenersatzanspruch des Mieters denkbar sei:
"Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beklagte seine mietvertragliche Nebenpflicht zur Obhut über den nicht mehr auffindbaren Schlüssel verletzt hat (§ 241 Abs. 2 BGB; vgl. KG, NJW-RR 2008, 1245; Flatow, NZM 2011, 660, 661; Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rn. VI 262a; Schmid, MDR 2010, 1367, 1369) und daher dem Kläger gegenüber - grundsätzlich - zum Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1, § 546 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet ist. Vom Verschuldensvorwurf hat sich der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entlastet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er hat zum Verbleib des Schlüssels nichts vorgetragen." (Rdnr. 10)
Weiter führte der BGH aus, dass der Vermieter - grundsätzlich - seinerseits gegenüber der WEG ersatzpflichtig sei und daher vom Kläger Freistellung (Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft) verlangen könne:
"Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass der Kläger als Schadensersatz vom Beklagten Freistellung (Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft) verlangen kann, soweit er wegen des abhanden gekommenen Schlüssels seinerseits Schadensersatzansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgesetzt ist." (Rdnr. 11)
Hierbei könne auch, sofern der Missbrauch durch Unbefugte zu befürchten ist, der Austausch der ganzen Schließanlage erfoderlich werden:
"Schließlich ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, dass der Verlust des Wohnungsschlüssels einer Schließanlage aus Sicherheitsgründen den Austausch der gesamten Schließanlage erforderlich machen kann, falls eine missbräuchliche Verwendung des nicht auffindbaren Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten ist." (Rdnr. 14)
Ein Schadensersatzanspruch entstehe aber erst, wenn die Schließanlage tatsächlich ausgetauscht werde. Eine vorherige fiktive Schadensersatzberechnung scheide mangels Substanzverletzung der Schließanlage aus:
"Jedoch hat die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des für den Austausch der Schließanlage erforderlichen Geldbetrages. Zwar kann ein Geschädigter den für die Beseitigung eines Sachschadens erforderlichen Aufwand im Hinblick auf § 249 Abs. 2 Satz1 BGB grundsätzlich auch fiktiv abrechnen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1976 - VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241 [zur Beschädigung eines Kfz]). Dies setzt aber voraus, dass ein erstattungsfähiger Vermögensschaden entstanden ist. Hieran fehlt es im Streitfall." (Rdnr. 15)
"...Eine Sache oder Sachgesamtheit ist nur dann beschädigt, wenn ihre Sachsubstanz verletzt ist (Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 249 Rn. 218; Münch-KommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 424, jeweils mwN). Der Verlust eines Schlüssels führt aber bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht zu einer - über die hier nicht streitgegenständliche Einbuße des verlorenen Schlüssels hinausgehende - Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage." (Rdnr. 18)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))