BGH, 17.10.2014 - V ZR 9/14: Pflicht der Sondereigentümer zur Sanierung von Gemeinschaftseigentum
In seiner Entscheidung vom 17.10.2014 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Instandhaltungs- und Schadenersatzpflichten der Wohnungseigentümer in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum zu befassen.
Im entschiedenen Fall handelte es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) mit drei Sondereigentumseinheiten: Die Klägerin ist die Eigentümerin der Sondereigentumseinheit mit der Wohnung im Kellergeschoss; die Beklagten sind die Eigentümer der beiden verbleibenden Sondereigentumseinheiten im Erd- und Obergeschoss.
Infolge von Mängeln im Bereich des Gemeinschaftseigentums kam es zu Feuchtigkeitsschäden an der Kellerwohnung; diese wurde dadurch unbewohnbar.
(Symbolbild)
Die Klägerin verlangte von den Beklagten - im praktischen Ergebnis - Zustimmung zur Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums und Schadensersatz wegen der Folgen der verzögerten Sanierung.
Zu Recht, wie der BGH ausführte:
Zunächst hat jeder Wohnungseigentümer, sofern eine sofortige Instandsetzung zwingend notwendig ist, hierauf einen Rechtsanspruch:
"Ist jedoch die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich, so entspricht nur ihre Vornahme billigem Ermessen; in diesem Fall hat ein einzelner Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Durchführung gemäß § 21 Abs. 4 WEG." (Rdnr. 10)
§ 21 Abs. 4 WEG lautet:
"(4) Jeder Wohnungseigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht."
Eine Opfergrenze zugunsten der übrigen Sondereigentümer bestehe nicht:
"Rechtlicher Nachprüfung hält es nicht stand, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Durchführung der Sanierung mit der Erwägung verneint, die Opfergrenze der betagten Beklagten werde wegen deren beschränkter finanzieller Leistungsfähigkeit überschritten. Entspricht nur die sofortige Vornahme der zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Sanierungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer kein Raum." (Rdnr. 12)
Weder deren begrenzte finanzielle Mittel, noch deren (betagtes) Alter können damit dem Anspruch entgegengehalten werden:
"Die Anerkennung einer individuellen Opfergrenze wäre zudem mit Sinn und Zweck des § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG unvereinbar, weil dies der notwendigen Erhaltung von Wohnungseigentumsanlagen zuwider liefe. Zudem müsste die Klägerin die Lasten des Wohnungseigentums tragen, obwohl sie es dauerhaft nicht nutzen könnte." (Rdnr. 14)
Wichtig: Diejenigen Wohnungseigentümer, die die notwendige Sanierung des Gemeinschaftseigentums verzögern, machen sich - persönlich - schadensersatzpflichtig:
"Für die durch eine unterbliebene oder verzögerte Beschlussfassung entstehenden Schäden können nach Auffassung des Senats nur die Wohnungseigentümer selbst ersatzpflichtig sein, und zwar diejenigen, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben." (Rdnr. 21)
Auch eine Stimmenthaltung soll zur Haftung führen können! Freilich wird sich eine Haftung - praktisch - nur auswirken können, wenn das Abstimmungsverhalten ggf. nachweisbar ist.
"Dementsprechend ist die auf § 21 Abs.4 WEG gestützte Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, wenn deren Mitwirkung an einer ordnungsmäßigen Verwaltung verlangt wird; eine Klage gegen den Verband scheidet aus (...),und zwar auch dann, wenn nur die Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und ein Gestaltungsspielraum infolgedessen nicht besteht (...). Eine etwaige Mitwirkungspflicht der Wohnungseigentümer ist individuell und nicht gemeinschaftlich zu erfüllen; den Pflichten des Verbands ist sie vorgelagert." (Rdnr. 22)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler)