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AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Michael Kügler

AG Kassel, 21.04.2015 - 435 C 5128/12: Zu den Sorgfaltsanforderungen beim Befahren einer Waschstraße

Das Amtsgericht Kassel (AG Kassel) hatte sich in einer Entscheidung vom 21.04.2015 mit einem Verkehrsunfall zu befassen, der sich im Jahre 2012 auf dem Gelände einer Waschstraße in Kassel zutrug. Bei diesem Unfall wurde ein 11jähriges Kind, welches aus dem Kofferraum des von seinem Vater zur Innenraumreinigung in einer Parkbucht (Parktasche) abgestellten Fahrzeugs die Kofferraummatte entnehmen wollte, von einem zwischen den links- und rechtsseitig angeordneten Parkbuchten durchfahrenden Fahrzeug erfasst und körperlich verletzt.

Der Fahrer des durchfahrenden Fahrzeugs bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung lehnten jede Verantwortlichkeit für den Unfall ab: Sie waren der Auffassung, dass das 11jährige Kind aufgrund eines überwiegenden Mitverschuldens allein für die Folgen des Verkehrsunfalls haften müsste. Das unfallverursachende Fahrzeug sei insbesondere nur 10 km/h schnell und das Kind verdeckt gewesen.

Symbolbild Waschstraße

(Symbolbild)

Wie das Amtsgericht ausführte, war der Fahrbahnbereich zwischen den Parkbuchten nur ca. 3,20 m breit. Nach Abzug der Breite des durchfahrenden Fahrzeugs von ca. 1,80 m verblieb beiderseits nur ein seitlicher Abstandsbereich von ca. 0,70 m. Dieser Bereich sei zu gering, um beim Durchfahren einer dort befindlichen Person gefahrlose Reinigungshandlungen am Fahrzeug zu ermöglichen.

Aus diesem Umstand schloss das Amtsgericht auf eine besondere Verantwortung des durchfahrenden Kraftfahrzeugführers:

"Dabei hat jeder Kraftfahrer, der zwischen diesen Parktaschen durchfährt, damit zu rechnen, dass sich dort Personen außerhalb der Fahrzeuge aufhalten, weil sie mit den entsprechenden Tätigkeiten um die Fahrzeuge herum beschäftigt sind. Dies gebietet es für die durchfahrenden Kraftfahrer, dass sie die Fußgänger nur dann passieren, wenn dies gefahrlos möglich ist. Gegebenenfalls haben sie die Verständigung mit den Fußgängern zu suchen, etwa durch Blickkontakt. Sollte dies nicht ohne weiteres möglich sein, sind sie notfalls dazu angehalten, das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen und auf sich aufmerksam zu machen, damit eine solche Verständigung möglich ist."

Ein Mitverschulden auf Seiten des 11jährigen Kindes wurde abgelehnt:

"Ein Mitverschulden ist nicht bereits deswegen anzunehmen, weil sich der Kläger rückwärts vom Fahrzeug seines Vaters wegbewegte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen … legte der Kläger vom Fahrzeugende eine Strecke von ca. 0,9-1,2 m zurück. Hierbei handelt es sich um eine Wegstrecke, die hier ohne weiteres mit dem Vorbringen des Klägers in Einklang zu bringen ist, er habe zum Zwecke der Innenreinigungen des Fahrzeuges seines Vaters die Kofferraummatte herausholen wollen. Eine solche Rückwärtsbewegung muss deswegen im Zusammenhang des Standortes des Fahrzeuges auf dem Parkplatz einer Autowaschanlage, welcher an dieser Stelle mit Einrichtungen versehen ist, um die Fahrzeuginnenreinigung durchzuführen, als in jeder Hinsicht sozialadäquat angesehen werden."

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes für das verletzte Kind nahm das Amtsgericht eine maßvolle Erhöhung (20%) aufgrund der außergerichtlich vollständig abgelehnten Regulierung ("unangemessenes Regulierungsverhalten") vor.

(Quelle: AG Kassel, Urteil vom 21.04.2015, 435 C 5128/12)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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