BGH, 19.07.2016 - VI ZR 491/15: Zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten
Mit einem Urteil vom 19.07.2016 fasste der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) seine Rechtssprechung zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall in wesentlichen Punkten nochmals zusammen.
Hintergrund der Entscheidung bildete ein Verkehrsunfall vom 13.04.2012.
Die volle Einstandspflicht der gegnerischen Kfratfahrzeughaftpflichtversicherung stand dem Grunde nach außer Streit.
Der Geschädigte hatte nach dem Verkehrsunfall ein Unfallgutachten bei einem Sachverständigenbüro in Auftrag gegeben und seinen Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Haftpflichtversicherung in Höhe der Sachverständigenkosten an das Sachverständigenbüro abgetreten.
Die Beklagte hielt das Gutachten für mangelhaft und unbrauchbar und die Abtretung im Übrigen für unwirksam.
Sie verweigerte die Zahlung der Gutachterkosten an die Klägerin, ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Ankauf von Forderungen ist.
Das Amtsgericht gab der Klage teilweise, das Landgericht im Wesentlichen statt.
Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Der BGH hielt die Revision für begründet und hob das Berufungsurteil, soweit es zum Nachteil der Beklagten erkannt hatte, auf. Die Sache wurde zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
(Symbolbild)
Der BGH begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen:
1.
Der Senat führte zunächst aus, dass dem Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des eingeholten Gutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG zustand:
"Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist." (Rdnr. 10)
Auch die Abtretungen vom Geschädigten an den Sachverständigen und von diesem an die Klägerin wurden für wirksam erachtet.
2.
Fehlerhaft sei aber die Auffassung des Berufungsgerichts, dass im vorliegende Prozess die von der Beklagten geltend gemachten Einwendungen gegen die Höhe der Gutachterkosten nicht zu prüfen seien.
Das Berufungsgericht habe insofern unzutreffende Maßstäbe zugrunde gelegt.
Der Geschädigte könne zwar grundsätzlich einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen.
Dabei müsse der Geschädigte grundsätzlich auch nicht den ihm zugänglichen Markt erforschen, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.
Auch genüge der Geschädigte grundsätzlich seiner Darlegungslast für die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten durch Vorlage einer diesbezüglichen - von ihm beglichenen - Rechnung:
"Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der - von ihm beglichenen - Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen." (Rdnr. 18)
Somit reicht nicht die Rechnung des Sachverständigen als solche. Der Geschädigte muss diese auch bezahlt haben:
"Nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten zu berücksichtigen sind. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher." (Rdnr. 19)
Bei Vorlage einer unbeglichenen Rechnung genügt es dagegen, wenn der beklagte Haftpflichtversicherer dieses Rechnung einfach bestreitet:
"Legt der an die Stelle des Geschädigten getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung vor, genügt danach ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringen kann." (Rdnr. 20)
(Quelle: BGH, Urteil v. 19.07.2016, VI ZR 491/15)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))