BAG, 21.09.2016 - 10 AZN 67/16: Zur spruchkörperübergreifenden Verbindung zweier Prozesse
In dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 21.09.2016 ging es um die Frage einer spruchkörperübegreifenden Verbindung zweier Prozessverfahren.
Im entschiedenen Fall hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) in der zweiten Instanz zwei Berufungsverfahren, die bei unterschiedlichen Kammern des LAG anhängig waren, durch einen nichtbegründeten Beschluss miteinander verbunden.
Rechtlichen Hintergrund bildete die Bestimmung des § 147 ZPO. Diese lautet:
"Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können."
(Symbolbild)
Das BAG beanstandete diese Vorgehensweise: Sie führte im konkreten Fall zu einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts für den Kläger des zweiten Verfahrens, weil diesem der gesetzliche Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG entzogen worden sei.
Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG lautet:
"Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden."
Das BAG arbeitet in seiner Entscheidungsbegründung dann eine Reihe von Voraussetzungen ab, denen ein (spruchkörperübergreifender) Verbindungsbeschluss genügen müsste, um rechtmäßig zu sein.
Besonders hervorzuheben sind hierbei die Ausführungen zum Geschäftsverteilungsplan. Das BAG verlangte nämlich, dass dieser Regelungen für eine derartige Verbindung vorsähe:
"Eine spruchkörperübergreifende Prozessverbindung nach § 147 ZPO ist unter Wahrung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) nur möglich, wenn der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts hierzu die erforderlichen Regelungen enthält. Verhält sich der Geschäftsverteilungsplan hierzu nicht, kann ein Verbindungsbeschluss nicht ergehen." (Rdnr. 22)
"Für den Fall einer spruchkörperübergreifenden Prozessverbindung ist es zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit im gerichtlichen Verfahren erforderlich, dass der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts zumindest Regelungen darüber enthält, welcher Spruchkörper berufen ist, eine Entscheidung nach § 147 ZPO zu treffen, soweit die übrigen Voraussetzungen der Norm vorliegen. In Betracht käme etwa eine Regelung, wonach der Spruchkörper zu einer Prozessverbindung berufen ist, dem das erste zu verbindende Verfahren zugewiesen wurde oder bei dem - bezogen auf den Eingang der Klage oder des Rechtsmittels - das älteste Verfahren anhängig ist. Gegebenenfalls bedarf es dabei ergänzender Regelungen für den Fall des gleichzeitigen Eingangs einer Klage oder eines Rechtsmittels. Anderenfalls wäre es in das Belieben der Spruchkörper gestellt, ob sie eine Verbindung bei ihnen anhängiger Verfahren zu Verfahren eines anderen Spruchkörpers hinnehmen oder eine solche Verbindung selbst durchführen." (Rdnr. 24)
Das BAG verlangt hierbei, damit die Regelung des § 147 ZPO nicht leerlaufe, dass ein Geschäftsverteilungsplan diesbezügliche Regelungen vorsähe:
"Durch einen Geschäftsverteilungsplan darf eine gesetzliche Regelung nicht faktisch außer Kraft gesetzt werden. Das Präsidium eines Gerichts hat vielmehr im Geschäftsverteilungsplan alle Aufgaben zu verteilen und damit die Voraussetzungen für die Rechtsgewährung im Einzelfall zu schaffen (vgl. Zöller/Lückemann ZPO § 21e GVG Rn. 12). Soweit ein Geschäftsverteilungsplan keine Regelung zu einer spruchkörperübergreifenden Verbindung trifft, würde er sich als insoweit lücken- und damit fehlerhaft erweisen, da er nicht nach abstrakt-generellen Kriterien den für die Entscheidung zuständigen Richter bezeichnet." (Rdnr. 25)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))