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AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

BAG, 22.09.2016 - 6 AZN 376/16: Der "verhängnisvolle" USB-Stick - Lehrstunde zum Revisionsrecht

In seinem Beschluss vom 22.09.2016 musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - (nur) deshalb aufheben und die Angelegenheit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, weil der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung verletzt wurde.

Im zugrundeliegenden Verfahren ging es um einen Kündigungsschutzprozess.

Dem Arbeitnehmer wurde Diebstahl vorgeworfen.

Im Rahmen der Verhandlung kam ein "verhängnisvoller" USB-Stick zur Sprache.


Symbolbild USB-Laufwerk

(Symbolbild)

Das LAG entschloss sich nämlich zu folgender Vorgehensweise - mutmaßlich, weil im Sitzungssaal selbst kein Rechner zur Verfügung stand:

"Dieses Video war auf einem USB-Stick gespeichert. Auch dieses Video wurde noch am selben Tag von der Kammer in Anwesenheit der Parteien in Augenschein genommen. Diese Inaugenscheinnahme erfolgte ausweislich des Protokolls der Verhandlung in seiner auf Antrag des Beklagten berichtigten Fassung im Dienstzimmer des Vorsitzenden Richters der erkennenden Kammer. Auf der Terminsrolle erfolgte kein Hinweis auf die Verlegung des Verhandlungsorts." (Rdnr. 1)

Das BAG sah hierin den absoluten Revisionsgrund des auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 547 Nr. 5 ZPO:

"Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

...

5.

wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;

..."

Nach § 52 S. 1 ArbGG gilt:

"Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Beweisaufnahme und der Verkündung der Entscheidung ist öffentlich."

In seiner ausführlich begründeten Entscheidung stellt das BAG maßgeblich darauf ab, dass am Verhandlungszimmer selbst kein Hinweis auf die Fortsetzung der Verhandlung im richterlichen Dienstzimmer zu finden war:

"Weder aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 7. Juni 2016 noch aus dem Vortrag des Beschwerdegegners ergibt sich, dass der Vorsitzende die Geschäftsstelle der Kammer oder andere Gerichtsbedienstete überhaupt von der Verlegung des Verhandlungsorts informiert hatte. Etwaige Nachfragen potenzieller Zuhörer dort wären also ins Leere gegangen. Unabhängig davon ist offenkundig, dass eine Nachfrage bei der Geschäftsstelle der Kammer oder anderen Gerichtsbediensteten nur erfolgen kann, wenn der potenzielle Zuhörer Grundkenntnisse der Abläufe bei Gericht hat und darum überhaupt vermuten kann, von diesen Personen eine Information über den Verhandlungsort erhalten zu können. Die Gerichtsöffentlichkeit ist aber nur gewahrt, wenn auch gänzlich gerichtsunkundige Zuhörer die Möglichkeit haben, Zutritt zur öffentlichen Verhandlung zu erhalten (vgl. Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 169 GVG Rn. 19). In Fällen wie dem vorliegenden wird aber selbst ein gerichtskundiger interessierter Zuhörer, der einen leeren Sitzungssaal vorfindet, ohne weiteren Hinweis am Eingang des Gerichtssaals von der Beendigung bzw. Unterbrechung der Verhandlung ausgehen und darum von Erkundigungen, ob und wo die Verhandlung an einer anderen Stelle fortgesetzt wird, absehen. Das gilt umso mehr, als eine solche Fortsetzung jedenfalls bei Arbeitsgerichten völlig unüblich ist." (Rdnr. 14)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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