BAG, 02.11.2016 - 10 AZR 596/15: Personalgespräch während laufender Arbeitsunfähigkeit?
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 02.11.2016 ist ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht verpflichtet, während einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, um dort an einem Gespräch zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen.
Im entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer (Kläger) bei der Arbeitgeberin (Beklagten) zunächst als Krankenpfleger und - nach einer längeren unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit - zuletzt (befristet) als medizinischer Dokumentationsassistent eingesetzt.
Nachdem der Kläger erneut von Ende 11/2013 bis Mitte 02/2014 arbeitsunfähig erkrankte, bestellte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2013 zu einem Personalgespräch am 06.01.2014 ein. Als Grund gab sie die "Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“ an.
Der Kläger sagte seine Teilnahme unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit ab.
Die Beklagte lud den Kläger darauf hin erneut für ein Personalgespräch am 11.02.2014 ein. Sie forderte ihn auf, Hinderungsgründe durch ein spezielles ärztliches Attest nachzuweisen.
(Symbolbild)
Der Kläger nahm auch an diesem zweiten Termin unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit nicht teil. Daraufhin mahnte die Beklagte den Kläger unter dem 18.02.2014 ab.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.
Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich.
Wie das BAG ausführte, kann der Arbeitgeber zwar grundsätzlich von einem Arbeitnehmer die Teilnahme an Gesprächen während der Arbeitszeit verlangen, bei denen es um die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers geht. Dies ergebe sich aus § 106 S. 1 GewO:
"Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. ..."
Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer sei aber grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen. Daher müsse er regelmäßig auch nicht zu einem Personalgespräch erscheinen.
Allerdings dürfe ein Arbeitgeber auch während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in einem zeitlich angemessenen Umfang mit diesem in Kontakt treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern, sodern ein berechtigtes Interesse vorläge.
Zu einem Erscheinen im Betrieb sei der erkrankte Arbeitnehmer aber nicht verpflichtet, es sei denn,
"dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage." (Pressemitteilung)
(Quelle: BAG, Urteil v. 02.11.2016, 10 AZR 596/15; Pressemitteilung Nr. 59/16)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))