OLG Hamm, 04.08.2017 - 9 U 173/16: Vorfahrtsrecht und Radfahrer in falscher Richtung auf Radweg
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte sich in einem Urteil vom 04.08.2017 mit einem Verkehrsunfall aus dem November 2013 zu befassen, bei dem es im Einmündugnsbereich zweier Straßen zu einer Kollision zwischen einer Fahrradfahrerin und einem PKW kam.
Die Fahrradfahrerin befuhr, entgegen der Fahrtrichtung, d.h. den in ihre Richtung nicht freigegebenen gemeinsamen Geh- und Radweg entlang einer vorfahrtsberichtigten Straße.
Der gegnerische PKW kam aus einer untergeordneten Straße. Der Fahrer wollte nach rechts in die übergeordnete Straße einbiegen.
Im Einmündungsbereich der beiden Straßen kam es zum Unfallereignis. Hierdurch wurde die Fahrradfahrerin erheblich verletzt.
(Symbolbild)
Die Fahrradfahrerin stand auf dem Standpunkt, dass sie vom Unfallgegner bzw. der hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherung in vollem Umfang Schadensersatz begehren könne.
Die Gegenseite vertrat die Auffassung, dass sich die Fahrradfahrerin eine erhebliche, anspruchsmindernde Mithaftung entgegenhalten müsse.
Das OLG betonte zunächst das Vorfahrtsrecht der Fahrradfahrerin. Dieses habe sie auch nicht dadurch verloren, dass sie in der falschen Richtung fuhr. Denn es gelte:
"Ein Radfahrer behält auch dann sein Vorfahrtsrecht gegenüber kreuzenden und einbiegenden Fahrzeugen, wenn er verbotswidrig den linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt, der nicht gem. § 2 Abs. 4 S. 2 StVO für die Gegenrichtung freigegeben ist (BGH v. 15.07.1986 – 4 StR 192/86 – juris, Saarl. OLG v. 17.04.2014 – 4 U 406/12 - juris; OLG Hamm v. 26.03.1992 – 6 U 335/91 – und 24.10.1996 – 6 U 68/96 – juris; Senat v. 10.03.1995 – 9 U 208/94 – juris)." (OLG Hamm, aaO., Rn. 27)
Allerdings habe die Fahrradfahrerin gegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO verstoßen, wo es heisst:
"Eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist. Rechte Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen benutzt werden."
Diesen Rechtsverstoß müsse sich die Fahrradfahrerin als anspruchsminderndes Mit- bzw. Eigenverschulden nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten lassen. Höhenmäßig sei der diesbezügliche Anteil mit 1/3 zu bewerten.
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))