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AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Michael Kügler

OVG Greifswald, 19.03.2019 - 3 M 291/18: MPU bei Zusatztatsachen auch unterhalb von 1,6 Promille

In einem Beschluss vom 19.03.2019 hatte sich das Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern (OVG Greifswald) mit einem einstweiligen Anordnungsverfahren zu befassen, in dem die Antragstellerin einstweilen eine Fahrerlaubnis der Klasse B inklusive Einschlussklassen begehrte.

Vorausgegangen war eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit strafgerichtlichen Urteil nebst Sperrzeit von sechs Monaten gemäß §§ 69, 69a StGB.

Nachdem die Antragstellerin, eine selbstständige Tierärztin, am 09.10.2017 die (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis beantragt hatte, forderte sie die Fahrerlaubnisbehörde unter Fristsetzung auf, ein Gutachten einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle (MPU) beizubringen. Es bestünden klärungsbedürftige Eignungszweifel wegen einer Alkoholproblematik. Die Antragstellerin, die der Ansicht war, hierzu nicht verpflichtet zu sein, legte kein Gutachten vor.

Die Antragstellerin hatte am 17.03.2017, gegen 6:45 Uhr einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht; sie hatte, unter Alkoholeinfluss stehend, einen Vorfahrtsverstoß begangen. Nach dem Unfall wurde bei ihr ein Blutalkoholwert (BAK) von 0,52 Promille festgestellt.

Symbolbild Gesellige Runde mit Alkohol

(Symbolbild)

Die Antragstellerin hatte sich zu den Trinkmengen unterschiedlich eingelassen. Im Wesentlichen hatte sie von 4 bzw. 5-6 Schnäpsen gesprochen, die sie am Vorabend anlässlich des Geburtstages des Vaters getrunken haben will. Danach habe es keinen Konsum mehr gegeben.

Die Antragstellerin hatte beim Verwaltungsgericht (VG) Schwerin unter dem 01.03.2018 einen Beschluss erwirkt, wonach ihr vorläufig die Fahrerlaubnisklaase B (inklusive Einschlussklassen) zu erteilen sei. Hiergegen hatte der Antragsgegner Beschwerde zum OVG eingelegt.

Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OVG hob den Beschluss des VG auf und wies den Antrag auf vorläufige Erteilung der Fahrerlaubnis ab.

Das OVG wies insbesondere darauf hin, dass im Verfahren der (Neu-)Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften über die Ersterteilung gelten.

Insofern heisst in § 20 Abs. 1 FeV:

"(1) Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht gelten die Vorschriften für die Ersterteilung. § 15 findet vorbehaltlich des Absatzes 2 keine Anwendung."

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisinhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein.

Das Vorliegen der Fahreignung wird vom Gesetz als Voraussetzung für die (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis gefordert; Zweifel gehen zu Lasten des Antragstellers. Solange Eignungszweifel nicht ausgeräumt sind, besteht kein Anspruch auf (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis.

Solche nicht ausgeräumten Zweifel sah das OVG im vorliegenden Falle als bei der Antragstellerin gegeben an. Die Antragstellerin hatte trotz Aufforderung der Fahrerlaubnisbehärde kein positives Gutachten zur Ausräumung der Eignungszweifel vorgelegt.

Der Sache nach spielte das OVG damit auf die Bestimmung des § 11 Abs. 8 FeV an, wo es heisst:

"(8) Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Betroffene ist hierauf bei der Anordnung nach Absatz 6 hinzuweisen."

Der Antragsgegner sei auch berechtigt gewesen, die Vorlage eines (positiven) MPU-Gutachtens zu verlangen.

Zutreffend sei, dass eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einem BAK-Wert von unter 1,6 Promille ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände (sog. Zusatztatsachen) nicht genüge, um als sonstige Tatsache die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen.

Bei einer (bloßen) einmalig gebliebenen Trunkenheitsfahrt mit unter 1,6 Promille sei eben die Grenze des § 13 S. 1 Nr. 2 c FeV nicht erreicht:

"Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass

[..]

2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn

[...]

c) in Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde,

[...]"

Die Frage sei aber, ob nicht Zusatztatsachen im Sinne von § 13 S.1 Nr. 2 a FeV vorlägen:

"a. [...] oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen,"

Dies wurde vom OVG zu Lasten der Antragstellerin gleich in mehrfacher Hinsicht bejaht.

Zunächst sei von einer "ungewöhnlichen Giftfestigkeit" auszugehen, da die vorgenommene gutachterliche Rückrechnung, bezogen auf das angenommene Konsumende am Vorabend, auf einen Mindest-BAK-Wert von 1,72 Promille und einem maximalen BAK-Wert von 3,12 Promille führte. Dann gelte aber:

"Nach dem Stand der Alkoholforschung ist davon auszugehen, dass Personen die Blutalkoholwerte von 1,6 Promille und mehr erreichen, deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit haben, regelmäßig an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik leiden und zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehören, die im Straßenverkehr doppelt so häufig alkoholauffällig werde wie andere Personen."

Als weitere Tatsache zu Lasten der Antragstellerin trete hinzu, dass diese nach ihren eigenen Angaben jedenfalls am Abend des Alkoholkonsums keine größeren Ausfallerscheinungen gezeigt habe.

Schließlich habe sie im Strafverfahren auch in weiterer Weise Angaben (mehrfacher Alkoholkonsum von Bier unter der Woche sei Gewohnheit gewesen) zum Alkoholkonsum gemacht, die auf eine Alkoholgewöhnung schließen lassen.

(Quelle: OVG Greifswald, Beschluss v. 19.03.2019, 3 M 291/18)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)


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