ArbG Kaiserslautern, 06.05.2021 - 1 Ca 1130/20: Corona - Reise ins Hochrisikogebiet
Das Arbeitsgericht (ArbG) Kaiserslautern hatte sich mit der Zahlungsklage eines Arbeitnehmers zu befassen, der zum einen Vergütung für einen Zeitraum, in dem er wegen einer Infizierung mit dem Corona- bzw. SARS-CoV-2-Virus einer behördlichen Quarantäneverfügung unterlag, und zum anderen Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrte.
Mit Urteil vom 06.05.2021 gab das ArbG dem Kläger teilweise recht.
Im entschiedenen Fall war der klagende Arbeitnehmer bei der Beklagten vom 25.05.2020 bis zum 30.10.2020 zu einem Bruttomonatslohn von 2.300,00 € als Werker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der RTV für gewerbliche Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk Anwendung.
Vom 01.08.2020 bis 14.08.2020 erhielt der Kläger unbezahlten Urlaub.
Bereits am 23.07.2020 reiste der Kläger - nach seiner Behauptung zur Versorgung seiner Eltern - in den Kosovo. Der Kosovo war zu dieser Zeit vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Corona-Hochrisikogebiet eingestuft.
Der Kläger erkankte an Corona. Symptome zeigten sich in Form eines zweitägigen Fiebers ab 12.08.2020. Am 14.08.2020 war der Kläger ohne weitere Symptome wieder fieberfrei.
Am 15.08.2020 wurde der Kläger in Deutschland mittels eines PCR-Tests positiv getestet.
Das Gesundheitsamt Kaiserslautern verfügte am 19.08.2020 eine Quarantäne bis zum 28.08.2020. Zum 28.08.2020 wurde die Quarantäne wieder aufgehoben.
Am 26.08.2020 war ein Abstrich durchgeführt worden. Dieser fiel zwar positiv aus, allerdings mit einem CT-Wert von über 30. Nach den Erkenntnissen des RKI bestünde bei einem derart hohen CT-Wert keine Möglichkeit der Ansteckung anderer Personen mehr.
Die Beklagte lehnte die Annahme der vom Kläger angebotenen Arneitsleistung mit Email vom 28.08.2020 ausdrücklich ab. Die Beklagte verlangte ein negatives Testergebnis.
(Symbolbild)
Der Kläger reichte eine weitere Bescheinigung des Gesundheitsamtes vom 02.09.2020 ein, wonach die Quarantäne ab dem 26.08.2020 beendet sei; außerdem legte er ein hausärztliches Attest vom 25.09.2020 vor, wonach der Kläger arbeitsfähig sei.
Die Beklagte beschäftigte den Kläger gleichwohl nicht.
Das ArbG unterschied in seiner ausführlich begründeten Entscheidung verschiedene Zeiträume.
Zunächst beschäftigte sich das ArbG mit dem Zeitraum der behördlich verfügten Quarantäne (15.08. bis 28.08.2020).
Für diesen Zeitraum lehnte das ArbG einen Zahlungsanspruch des Klägers ab.
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EFZG) bestünde nicht, da der Kläger nach Rückkehr aus dem Urlaub keine Krankheitssymptome mehr aufwies.
Einen Anspruch aus § 616 BGB ließ das ArbG daran scheitern, dass keine "verhältnismäßig nicht erhebliche" Zeit vorläge.
Ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 56 Abs. 1, 5 IfSG bestünde ebenfalls nicht. Denn die Reise in den Kosovo sei nicht im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG "zwingend erforderlich" gewesen. Die vom Kläger diesbezüglich gemachten Ausführungen (Pflege seiner Eltern u.ä.) seien pauschal und unsubstantiiert gewesen.
Auch bestünde kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte, weil diese keinen Entschädigungsantrag nach § 56 IfSG zugunsten des Klägers gestellt habe. Denn ein solcher wäre, wie ausgeführt, erfolglos geblieben. Der Kläger könne im Übrigen selbst versuchen, einen solchen Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG im Verwaltungsrechtswege durchzusetzen.
Danach beschäftigte sich das ArbG mit dem Zeitraum nach Ablauf der Quarantäne bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (29.08. bis 31.10.2020).
Hier gab das ArbG dem Kläger recht.
Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Kläger noch ansteckend war.
Nach damaligen und heutigen Stand der Wissenschaft sei der Kläger ab 29.08.2020 nicht mehr ansteckend gewesen. Hierfür spräche insbesondere die Aufhebung der Quarantäne und der hohe CT-Wert von über 30.
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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