BAG, 01.06.2022 - 5 AZR 28/22: Bayerische Staatsoper - Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einem Urteil vom 01.06.2022 mit der Frage zu befassen, ob ein Arbeitgeber aufgrund eines betrieblichen Schutz- und Hygienkonzeptes berechtigt sein kann, einseitig Corona-Tests anzuordnen.
Im entschiedenen Fall war die klagende Arbeitnehmerin als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper mit einem monatlichen Bruttogehalt von 8.351,86 € angestellt.
Am Beginn der Spielzeit 2020/2021 hatte der Arbeitgeber (Freistaat Bayern) im Rahmen eines betrieblichen Hygienekonzeptes eine Corona-Teststrategie entwickelt. Diese Teststrategie beinhaltete u.a. die Einteilung der Beschäftigten in Risikogruppen und abhängig von dieser Gruppenzuordnung die Verpflichtung zur Durchführung von Coronatests in unterschiedlichen Zeitabständen.
(Symbolbild)
Von der Klägerin wurde - wie auch von allen anderen Mitarbeitern - verlangt, dass diese zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen sollte. Ferner sollte die Klägerin weitere PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Ohne derartige Tests sollte die Klägerin weder an Aufführungen, noch an Proben teilnehmen dürfen.
Die Klägerin verweigerte die Teilnahme an derartigen Test. In der Folge wurden vom beklagten Freistaat von Ende August bis Ende Oktober 2020 die Gehaltszahlungen eingestellt. Ab Ende Oktober legte die klagende Flötistin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht PCR-Testergebnisse vor.
Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage unter anderem die Vergütung für den Zeitraum von August 2020 bis Oktober 2020.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Das BAG wies insbesondere auf die Verpflochtung des Arbeitgebers nach § 618 Abs.1 BGB hin. Dort heißt es:
"(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet."
Der Arbeitgeber kann sich im Rahmen der Umsetzung arbeitsschutzrechtlocher Maßnahmen des Weisungsrechts nach § 106 S.2 GewO bedienen.
§ 106 GewO lautet:
"Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen."
Vor diesem Hintergrund entsprach im vorliegenden Fall die Einführung eoner Corona-Teststrategie billigem Ermessen. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei nur minimal gewesen.
Da es der Klägerin im streitigem Zeitraum jedenfalls am Leistungswillen zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung gefehlt habe, bestünde auch kein Vergütungsanspruch.
(Quelle: BAG, Urt. v. 01.06.2022, 5 AZR 28/22; Pressemitteilung Nr. 21/22)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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