BAG, 08.12.2020 - 3 AZR 64/19: Anpassung einer Versorgungszusage aufgrund bilanzieller Änderungen?
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 08.12.2020 entschied, rechtfertigt die Änderung bilanzrechtlicher Bestimmungen nicht die Anpassung von Versorgungsleistungen aufgrund sog. Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).
Im entschiedenen Fall war die Klägerin die Witwe eines verstorbenen, ehemals leitenden Mitarbeiters der Beklagten. Dieser hatte im Jahre 1976 eine Versorgungszusage mit Hinterbliebenenversorgung erhalten.
Die Versorgungsbezüge waren nach den getroffenen Vereinbarungen der Entwicklung der Tarifgehälter anzupassen. Entsprechend berücksichtigte die Beklagte bis 2016 die tariflichen Gehaltserhöhungen bei der Höhe der Versorgungsleistungen. Im Juli 2016 teilte die Beklagte dann aber der Klägerin mit, dass sie die Anpassung der Versorgungsbezüge in Zukunft wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht mehr anhand der Entwicklung der Tarifgehälter vornehmen werde. Vielmehr werde sie sich allein nach § 16 BetrAVG richten. Diese Norm eröffnet dem Arbeitgeber eine Anpassung nach den Grundsätzen billigen Ermessens. Damit würde der Arbeitgeber sich im Ergebnis einen gewissen Spielraum eröffnen, während er vorher einer betragsmäßig festen Anpassungsverpflichtung unterlag..
(Symbolbild)
Die vom Arbeitgeber als Rechtfertigung herangezogene Störung der Geschäftsgrundlage läge in erheblich erhöhten Rückstellungen, die nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes 2010 (BilMoG) zu tätigen wäre.
Die Klägerin ließ sich von dieser Argumentation nicht überzeugen und erhob Klage in Höhe ausstehender Differenzbeträge.
Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden unterschiedlich.
Das BAG stellte sich auf die Seite der Klägerin:
Auch wenn es grundsätzlich möglich sei, die Anpassung von Versorgungsregelungen auf die Störung der Geschäftsgrundlage zu stützen, seien vorliegend die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Geschäftsgrundlage können nicht Vorstellungen sein, die zum Vertragsinhalt selbst gehören. Die vermeintliche Verteuerung der Versorgungszusage werde hier von der Beklagten auf Umstände gestützt, die Inhalt der Versorgungszusage selbst sind. Bei der von der Beklagten geführten bilanziellen Argumentation sei weiter zu berücksichtigen, dass es sich bei den Rückstellungen im Wesentlichen um ein Instrument der Innenfinanzierung handeln würde. Auch wenn dies Einfluss auf den bilanziellen Gewinn oder Verlust habe, könne dies nicht berücksichtigt werden. Denn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage könne nach den gesetzlichen Wertungen des BetrAVG einen Widerruf von Versorgungszusagen begründen. Diese gesetzliche Risikoverteilung sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen.
(Quelle: BAG, Urteil v. 08.12.2020, 3 AZR 64/19; Pressemitteilung Nr. 45/20)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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