BAG, 16.10.2019 - 4 AZR 66/18: Wann kann durch Tarifvertrag von "Equal-Pay" abgewichen werden?
Im Recht der Zeitarbeit findet sich der sog. "Equal-Pay-Grundsatz" (Grundsatz der Gleichstellung). Demnach sollen Zeitarbeitnehmer grundsätzlich nach denselben wesentlichen Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelten beschäftigt werden, wie sie auch für die im Entleiherunternehmen festangestellten vergleichbaren Stammarbeitnehmer gelten würden.
Dieser Grundsatz ist allerdings löchrig.
Arbeitgeber, die als Verleiher Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) an Dritte überlassen, können vom Gleistellungsgrundsatz zum Beispiel dadurch abweichen, dass sie im Anstellungsvertrag des Leiharbeitnehmers auf einen Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer verwiesen. Denn die tarifvertragsschließenden Parteien können vom "Equal-Pay-Grundsatz" abweichen.
Eine entsprechende Regelung befindet sich jetzt in § 8 Abs. 2 AÜG:
"(2) Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrages vereinbaren. Soweit ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren."
Im entschiedenen Fall war der klagende Arbeitnehmer bei dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen als Kraftfahrer angestellt. Im Leiharbeitsvertrag befand sich eine Bezugnahmeklausel, wonach auf die zwischem der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) vereinbarten Tarifverträge für die Zeitarbeit verwiesen wurde.
(Symbolbild)
Allerdings enthält der Leiharbeitsvertrag auch Regelungen, die von den tariflichen Bestimmungen abweichen.
Im Zeitraum von 04/2015 bos 08/2015 war der Kläger bei einem Kunden des Zeitarbeitsunternehmen (Entleiher) eingesetzt. Hierfür wurde von der Beklagten (Verleiher) mit dem Kläger ein Stundenlohn von 11,25 € brutto vereinbart.
Die vergleichbaren Stammarbeitnehmer beim Entleiher erhielten eine höhere Vergütung.
Der Kläger begehrte klageweise von der Beklagten die zusätzliche Zahlung der Differenzvergütung zwischen den 11,25 € aus dem Leiharbeitsvertrag zu der höheren Vergütung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers.
Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden gegen den Kläger.
Auf die Revision des Klägers zum BAG bejahte dieses einen Anspruch nach "Equal-Pay".
Eine wirksame arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen hiervon abweichenden Tariifvertrag läge im vorliegenden Fall nicht vor, da das Leiharbeitsunternehmen den Tarifvertrag nicht vollständig zur Anwendung bringen wollte. Vielmehr enthalte der Leiharbeitsvertrag Abweichungen von den tarifvertraglichen Regelungen, die nicht ausschließlich zugunsten des Arbeitnehmers wirken.
Allerdings konnte das BAG nicht vollumfänglich über die Sache entscheiden, da es (noch) an hinreichenden Feststellungen über die Höhe der sich ergebenden Differenzvergütungsansprüchen mangelte. Daher wurde der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
(Quelle: BAG, Urteil v. 16.10.2019, 4 AZR 66/18; Pressemitteilung Nr. 33/19)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
Comments