BAG, 20.12.2022 - 9 AZR 245/19: Zum Verfall von Urlaub bei Krankheit
Immer wieder stellen sich Arbeitnehmer die Frage, was eigentlich mit ihren (gesetzlichen) Urlaubsansprüchen passiert, wenn sie dauerhaft erkranken, also ihren Urlaub aus gesundheitlichen Gründen (über längere Zeit) nicht nehmen können.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich bereits mehrfach mit derartigen Fragestellungen zu befassen gehabt. Mit seinem Urteil vom 20.12.2022 hatte es nunmehr Gelegenheit, die bisherige Rechtsprechung mit der neuesten Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Europäische Union (EuGH) abzugleichen.
Dabei kam das BAG zu der Auffassung, dass der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet habe bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, regelmäßig nur dann nach Ablauf des (gewöhnlichen) Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlösche, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig in die Lage versetzt habe seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen, also seinen sog. Mitwirkungsobliegenheiten wie konkreter Hinweis auf den Urlaubsanspruch und Aufforderung zur Urlaubsnahme zur Vermeidung des Verfalls nachgekommen ist.
(Symbolbild)
Im entschiedenen Fall klagte ein schwerbehinderter Mensch, der bei der beklagten Flughafengesellschaft als Frachtfahrer (Bodenverkehrsdienste) beschäftigt ist. Ab 01.12.2014 bis mindestens 08/2019 konnte er aus gesundheitlichen Gründen (volle Erwerbsminderung) seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Er begehrte mit seiner Klage u.a. Gewährung des Resturlaubs aus 2014.
Im Gegensatz zu der Beklagten vertrat der Kläger die Auffassung, dass der Urlaub aus 2014 noch nicht verfallen sei, weil die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten bei der Gewährung des Urlaubs nicht nachgekommen sei.
Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab.
Die Revision des Klägers an das BAG war dagegen hinsichtlich der Urlaubsansprüche aus 2014 überwiegend erfolgreich.
Nach der bisherigen Rechtsprechung gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche, die aufgrund fortdauerndernder Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnten, automatisch mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres unter.
Nach der jetztigen Rechtsprechung gilt dies regelmäßig aber nicht für solche Urlaubsjahre, in denen der Arbeitnehmer - wie vorliegend der Kläger im Jahre 2014 - noch tatsächlich gearbeitet hat.
(Quelle: BAG, Urteil v. 20.12.2022, 9 AZR 245/19; Pressemitteilung Nr. 47/22)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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