BGH, 23.09.2022 - V ZR 148/21: Zum gutgläubigen Erwerb eines "unterschlagenen" Leasingfahrzeugs
Mit Urteil vom 23.09.2022 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über Fragen des gutgläubigen Erwerbs eines gebrauchten Fahrzeugs zu entscheiden.
Im entschiedenen Fall hatte die klagende (gewerbliche) Käuferin eines gebrauchten Fahrzeugs im März 2019 bei einem Autohaus (Verkäuferin) ein dort stehendes Fahrezug gekauft. Dieses Fahrzeug war zuvor von der Beklagten, die dessen Eigentümerin war, an das Autohaus verleast worden.
Die Zulassungsbescheinigung Teil II (d.h. der nach früherer Bezeichnung sog. Kraftfahrzeugbrief) war bei der beklagten Eigentümerin verblieben.
Zwischen den Prozessparteien war streitig, ob der Klägerin vom Autohaus eine hochwertige Fälschung dieser Zulassungsbescheinigung vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war.
Die klagende Käuferin vertrat die Auffassung, dass sie infolge gutgläubigen Erwerbs Eigentümerin des verkauften Fahrzeugs geworden war. Sie verlangte daher von der Beklagten im Wege der Klage die Zulassungsbescheinigung II heraus.
Die beklagte Leasinggesellschaft vertrat den gegenteiligen Standpunkt und verlangte ihrerseits im Wege der Widerklage das Fahrzeug heraus.
Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) entschieden unterschiedlich.
Der BGH stellte sich auf die Seite der Klägerin (Käuferin).
Die Klägerin sei Eigentümerin des Fahrzeugs geworden, so dass sie in analoger Anwendung des § 952 BGB auch Eigentümerin der Zulassungsbescheinigung Teil II geworden sei.
§ 952 BGB lautet:
"(1) Das Eigentum an dem über eine Forderung ausgestellten Schuldschein steht dem Gläubiger zu. Das Recht eines Dritten an der Forderung erstreckt sich auf den Schuldschein.
(2) Das Gleiche gilt für Urkunden über andere Rechte, kraft deren eine Leistung gefordert werden kann, insbesondere für Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefe."
Der Eigentumserwerb am Fahrzeug selbst habe sich zwar nicht direkt zwischen der Beklagten und der Klägerin vollzogen. Denn die beklagte Leasinggesellschaft habe das Fahrzeug selbst nicht an die Klägerin zu Eigentum übergeben. Vielmehr hatte sie das Fahrzeug dem Autohaus nur verleast.
(Symbolbild)
Allerdings sieht das BGB - in gewissen Fällen - auch den gutgläubigen Erwerb vom Nicht-Eigentümer vor. Einschlägig sei vorliegend § 932 Abs. 1 S. 1 BGB:
"(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. ..."
Den fehlenden guten Glauben der Klägerin müsse die Beklagte beweisen.
Diese Beweislastverteilung bestünde auch in Fällen, in denen die Vorlage einer gefälschten Bescheinigung im Raum stünde. Auch dann träfe den Erwerber, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und auch sonst keine Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten.
Es sei auch nicht so, dass der Erwerber zumindest die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II beweisen müsste.
Der Erwerber habe vielmehr nur eine sog. sekundäre Darlegungslast. Er müsse also vortragen, wann, wo und durch wen ihm die Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde. Es obläge vielmehr dem Eigentümer, diese Angaben beweismäßig zu widerlegen.
(Quelle: BGH, Urteil v. 23.09.2022, V ZR 148/21; Pressemitteilung Nr. 138/2022)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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