BGH, 24.01.2020 - V ZR 155/18: Kein Wegerecht zwischen Nachbarn trotz jahrzehntelanger Übung
Wie der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) mit Urteil vom 24.01.2020 entschied, kann zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn ein Wegerecht nicht aufgrund Gewohnheitsrechts entstehen. Selbst eine jahrzehntelange, gegenteilige Übung ändere hieran nichts.
Im entschiedenen Fall sind die Kläger Eigentümer dreier nebeneinander an einer öffentlichen Straße liegenden Grundstücke. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich baurechtlich nicht genehmigte Garagen. Zu diesen Garagen führt ein Weg über die im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücke. Jahrezehntelang duldete die frühere Eigentümerin und später anfänglich auch die Beklagte die Nutzung dieses Weges als Zufahrt zu den Garagen. Mit Wirkung zum 31.12.2016 wurde diese Duldung von der Beklagten beendet. Sie kündigte an, den Weg zu sperren und begann mit dem Bau einer Toranlage.
Die Kläger beriefen sich auf ein zu ihren Gunsten entstandenes Wegerecht, hilfsweise auf ein Notwegerecht, und verlangten Unterlassung der Sperrung des Weges.
Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) gaben den Klägern Recht. Das OLG verwies auf ein zugunsten der Kläger entstandenes Gewohnheitsrecht.
(Symbolbild)
Anders der BGH:
Das höchste deutsche Zivilgericht verneinte eine Berufung der Kläger auf Gewohnheitsrecht. Gewohnheitsrecht enthalte eine generell-abstrakte Regelung und könne nicht beschränkt auf ein Rechtsverhältnis einzelner Grundstücksnachbarn entstehen. In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn könne ein Wegerecht außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegerecht gemäß § 917 BGB entstehen.
§ 917 BGB lautet:
"(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.
(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung."
Der BGH verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Dieses wird der Frage nachzugehen haben, ob nach § 917 Abs. 1 BGB ein Notwegerecht in Betracht kommt. Dabei wäre zwischen einer Nutzung der klägerischen Grundstücke zu Wohn - und Gewerbezwecken zu unterscheiden. Da die Garagen nicht genehmigt sind und mangels Erschließung auch nicht genehmigt werden könnten, würde bei einer Nutzung der Grundstücke zu Wohnzwecken ein Notwegerecht ausscheiden. Bei einer gewerblichen Nutzung der Grundstücke könne dagegen grundsätzlich ein Notwegerecht in Betracht kommen. Hier wäre an Be- und Entladevorgänge sowie an das Abstellen von Kaftfahrzeugen auf dem verbindungslosem Grundstücksteil zu denken.
(Quelle: BGH, Urteil v. 24.01.2020, V ZR 155/18; Pressemitteilung Nr. 12/20)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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