BGH, 27.10.2020 - XI ZR 498/19: Zum Widerruf von verbundenen Autofinanzierungsdarlehen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit Urteil vom 27.10.2020 mit wichtigen Fragen zum Widerruf von Darlehensverträgen, die als sog. verbundene Verträge zum Zwecke der Finanzierung von Autokaufverträgen abgeschlossen wurden und mit diesen eine wirtschaftliche Einheit bildeteten, zu befassen.
In diesem Zusammenhang entschied sich das höchste deutsche Zivilgericht zu einer sog. Leitsatzentscheidung, d.h. es stellte der eigentlichen Entscheidung die wichtigsten Entscheidungspunkte als gesonderte Leitsätze voran.
Im entschiedenen Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des klagenden Autokäufers.
(Symbolbild)
Der Kläger hatte 2017 für 32.500,00 € einen gebrauchten Geländewagen erworben. Er entrichtete hierfür eine Anzahlung in Höhe von 10.000,00 €. Den Rest des Kaufpreises finanzierte er mittels eines Darlehensvetrags vom 08.07.2017 über 22.500,00 € zu einem jährlichen Sollzinssatz von 0,98% bei 54 Monatsraten.
Als Verbraucher stand ihm ein - grundsätzlich zweiwöchiges - Widerrufsrecht zu, über welches ihn die beklagte Bank mittels einer umfangreichen, schriftlichen "Widerrufsinformation", enthalten im Darlehensvertrag, belehrte. Über die Ordnungsgemäßheit dieser Widerrufsbelehrung und damit auch über den Beginn der Widerrufsfrist bestand zwischen den Parteien allerdings Streit.
(Erst) mit Schreiben vom 16.04.2018 gab der Kläger bezüglich des Darlehensvertrages eine Widerrufserklärung ab.
Die Beklagte wies den Widerruf als - nach ihrer Rechtsauffassung - verfristet zurück.
Der Kläger bot daraufhin der Beklagten mit anwaltlichen Schreiben vom 28.05.2018 an, den Geländewagen nach Terminvereinbarung bei ihm abzuholen und forderte ihm Übrigen zur Rückzahlung der Anzahlung und der Zins- und Tilgungsleistungen auf.
Eine entsprechende Klage blieb vor dem Landgericht (LG) Heilbronn und dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zunächst erfolglos. Die Vevision zum BGH war aber überwiegend begründet.
Anders als die Vorinstanzen ging der BGH von einem wirksamen Widerruf des Darlehensvertrages aus.
Die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft gewesen.
Soweit diese eine Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB" enthalte, sei dies zwar nach deutschen Recht, nicht aber nach den maßgeblichen europarechtlichen Vorgaben (Verbraucherkreditrichtlinie) beanstandungsfrei. Denn der Gerichtshof der europäischen Union (EuGH) habe mit EuGH-Urteil vom 26.03.2020, C-66/19 - Kreissparkasse Saarlouis) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 lit. p Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates einer Verweisung entgegenstehe, bei der ein Kreditvertrag auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des Rechts des Mitgliedsstaates verweise.
Die bisherige, entgegenstehende Rechtsprechung des BGH sei deshalb aufzugeben.
Die Beklagte könne sich auch nicht auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB berufen. Denn die Beklagte hatte in ihrer Widerrufsinformation auch einen Vertrag über eine Restschuldversicherung benannt, obwohl ein solcher vorliegend gar nicht abgeschlossen worden war. Damit habe die Beklagte das Muster nicht richtig ausgefüllt.
Soweit der Kläger auch Feststellung des Annahmeverzugs begehrte, war seine Klage aber nicht erfolgreich. Denn sein wörtliches Angebote, das Fahrzueg bei ihm abzuholen, genügte nicht.
Im Ergebnis war daher das Urteil des OLG hinsichtlich der Abweisung der Klageanträge Ziff. 1 und Ziff. 2 aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Auch hierzu erteilte der BGH bereits einige Hinweise:
So müsste sich das OLG im Hinblick auf die fehlende Gesetzlichkeitsfiktion mit dem Einwand rechtsmißbräuchlichen Verhaltens durch den Kläger zu befassen haben.
Eine Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs könne in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB nur bei Annahmeverzug begehrt werden, der ja bisher fehle.
Im Übrigen bestünde - falls der Kläger noch seiner Vorleistungspflicht nachkommen sollte - auch eine Pflicht des Käufers und Darlehensnehmers zum Wertersatz gemäß § 358 Abs. 4 S. 1 HS. 2 i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB. Dieser bestimme sich nach der Vergleichswertmethode. Danach sei die Differenz zwischen dem unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung zu ermittelnden Verkehrswert des Fahrzeugs bei Abschluss des Darlehensvertrags und des Verkehrswerts bei dessen Rückgabe an die Bank zu ersetzen.
(Quelle: BGH, Urteil v. 27.10.2022, XI ZR 498/19)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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