BVerwG, 14.12.2023 - 3 C 10.22: MPU bei (einer) Trunkenheitsfahrt mit Verkehrsunfallflucht wegen "wiederholter" Zuwiderhandlung unter Alkoholeinfluss?
Im entschiedenen Fall ging es um eine Klägerin, die am 02.04.2015 mit einem BAK-Wert (Blutalkohol-Wert) von 0,68 Promille mit dem Kraftfahrzeug unterwegs war, als sie im alkoholbedingt fahruntüchtigen Zustand auf dem Parkplatz eines Supermarktes ein Fahrzeug beschädigte. Sie stieg aus ihrem Fahrzeug aus, sah sich den angerichteten Schaden an und entfernte sich anschließend vom Unfallort, ohne die erforderlichen Unfallfeststellungen treffen zu lassen.
Das Strafgericht verurteilte die Klägerin in Tatmehrheit wegen fahrlässiger Trunkenheit und vorsätzlicher Trunkenheit, letztere in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort. Insofern folgte das Gericht der (im Strafrecht gängigen) Vorstellung, dass der Verkehrsunfall eine Zäsur zwischen der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt und der vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt bildete. Durch den Verkehrsunfall habe die Klägerin ihre alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit positiv erkannt, ihr weiteres Fahren erfolgte daher vorsätzlich.
Aus strafgerichtlicher Sicht lagen somit zwei Taten vor.
Die Fahrerlaubnisbehörde folgte dieser Sichtweise und sah daher wiederholte Zuwiderhandlungen des Fahrens unter Alkoholeinfuss. Dies führte zu der Vorschrift des § 13 S. 1 Nr. 2 lit. b FeV.
Nach dieser Vorschrift ist dann, wenn "wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden", die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) anzuordnen. Als die Klägerin daher 2018 die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, ordnete die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU an.
(Symbolbild)
Die Klägerin kam dieser Anordnung nicht nach; die Fahrerlaubnisbehörde versagte ihr daher die begehrte Neuerteilung einer Fahrerlaubnis.
Verwaltungsgericht (VG) und Oberverwaltungsgericht (OVG) entscheiden unterschiedlich. Während das VG die Klage auf Neuerteilung der Farerlaubnis abwies, entscheid das OVG umgekehrt.
Das BVerwG gab der Klägerin mit Urteil vom 14.12.2023 Recht:
Im vorliegenden Fall sei die Anordnung der MPU fehlerhaft. Sie wäre nur in Betracht gekommen, wenn der Antragsteller in mindestens zwei vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten je eine oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen habe. Auch bei Fortsetzung einer Trunkenheitsfahrt nach einem alkoholbedingten Unfall in Kenntnis der eigenen Fahruntüchtigkeit könne aber ein einheitlicher Geschehensablauf vorliegen. Hier sein nur eine Fahrunterbrechung von wenigen Minuten eingetreten, was einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstelle.
(Quelle: BVerwG, Urteil v. 14.12.2023, 3 C 10.22; Pressemitteilung Nr. 94/2023)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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