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AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

LAG Erfurt, 19.06.2007 - 5 Ta 55/07: Zur Unwirksamkeit der Kündigung eines erkrankten Arbeitnehmers

Das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG Erfurt) hatte sich im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens in seinem Beschluss vom 19.06.2007 mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers zu befassen, der nach einem Verkehrsunfall in der "Probezeit" arbeitsunfähig erkrankte und postwendend die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses erhielt.


In diesem Zusammenhang machte das LAG bedeutsame Ausführungen hinsichtlich der Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung auch während der "Probezeit".


Der betreffende, klagende Arbeitnehmer war gemäß Arbeitsvertrag vom 07.09.2006 ab 11.09.2006 bei der Beklagten angestellt. Am 16.11.2006 erlitt er auf dem Heimweg von der Arbeit einen Verkehrsunfall und wurde für einen Tag ins Krankenhaus aufgenommen. Anschließend war er bis 23.12.2006 arbeitunfähig erkrankt.


Symbolbild Patient im Krankenhaus

(Symbolbild)


Bereits mit Schreiben vom 17.11.2006, dem Kläger zugegangen am 30.11.2006, erhielt der Kläger eine Kündigung zum 24.11.2006.


Der Kläger hatte in der Klageschrift unter Berufung auf das Zeugnis seiner Schwester mitgeteilt, dass dieser am 17.11.2006 bei der Beklagten angerufen habe, um die Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Sie sei an den Chef verwiesen worden, der allerdings nicht erreichbar war. Bei einem wenige Tage späteren Telefonat zwischen der Schwester und dem Chef äußerte dieser nach den Darlegungen in der Klageschrift sinngemäß:


"Sie solle nicht seine wertvolle Zeit verschwenden, er könne nur Mitarbeiter brauchen, die am Arbeitsplatz ihre Arbeit tun,....wer krank mache, aus welchem Grund auch immer, könne in dieser Firma nur noch mit der Kündigung rechnen...außerdem sei der Kläger ohnehin nur in der Probezeit..."


Der Kläger erhob - soweit hier von Interesse - unter anderem Kündigungsschutzklage und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe.


Das erstinstanzliche Gericht lehnte Prozesskostenhilfe ab. Die Klage böte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das KSchG sei mangels Erfüllung der Wartezeit von sechs Monaten nicht einschlägig; eine Sitten- oder Treuwidrigkeit der Kündigung sei nicht gegeben.


Gegen diesen Beschluss ging der Kläger in sofortige Beschwerde zum LAG.


Das LAG nahm Erfolgsaussichten für die Kündigungsschutzklage an.


Die Kümndigung stelle jedenfalls einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar und sei daher rechtsunwirksam. Ob sie auch sittenwidrig sei, können offenbleiben.


Dass von der Beklagten gezeigte Verhalten enthalte insbesondere eine menschenverachtende Komponente:


"Die Beklagte hat mit der von dem Kläger behaupteten telefonischen Äußerung des Herrn F. vom 17.11.2006 dokumentiert, dass Sie im Erkrankungsfall von Mitarbeitern nach Gutsherrenart unabhängig von eigenen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Interessen und ohne Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen ihrer Mitarbeiter wie z. B. auf Achtung ihrer Menschenwürde und Persönlichkeit ihr Kündigungsrecht ausüben und damit bereits das Krankwerden als solches mit Erteilung einer Kündigung maßregeln will. Ein solches Verhalten stellt nicht nur einen klassischen Fall von willkürlicher Mitarbeiterbehandlung dar, er enthält auch eine menschenverachtende Komponente. Die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie und damit auch des arbeitgeberseitigen Kündigungsrechts findet unabhängig vom Geltungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes ihre Grenze in der Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde. Mit dieser Verpflichtung steht es nicht im Einklang, wenn in einem Arbeitsverhältnis - und wie im Streitfall vorgetragen - bereits das bloße Auftreten einer Erkrankung als solcher zum Anlass für eine das Arbeitsverhältnis beendende Sanktion, nämlich eine Kündigung genommen wird."


(Quelle: LAG Erfurt, Beschluss v. 19.06.2007, 5 Ta 55/07)


(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)

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