OVG Münster, 16.02.2021 - 16 B 1496/20: Unschlüssiges Gutachten trägt keine Fahrerlaubnisentziehung
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster hatte sich in einem Eilverfahren am 16.02.2021 mit einem fahrerlaubsnisrechtlichen Sachverhalt zu befassen.
Im entschiedenen Fall ging es um einen Fahrerlaubnisinhaber, der gelegentlich Cannabis konsumierte.
Am 30.05.2019 geriet er in eine Verkehrskontrolle, wobei er offenbar unter Einfluss von Cannabis stand. Er hatte somit nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und der Teilnahme am Straßenverkehr getrennt.
Die Fahrerlaubnisbehörde hatte die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet (MPU).
Ein solches Gutachten wurde unter dem 18.11.2019 erstellt und kam zu einem für die Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers negativen Schluss.
Mit Bescheid vom 10.01.2020 wurde die Fahrerlaubnis entzogen und die Rückgabe des Führerscheins verlangt. Sofortvollzug wurde angeordnet.
Der Fahrerlaubnisinhaber ging hiergegen rechtlich vor.
Unter anderem begehrte er im Wege des Eilrechtsschutzes der Sache nach die vorläufige Weitergeltung einer Fahrerlaubnis.
(Symbolbild)
Zu Recht, wie das OVG entschied:
Denn das eingeholte Gutachten sei nicht nachvollziehbar. Die negativen Schlussfolgerungen seien nicht ausreichend begründet. Ein solches Gutachten könne auch nicht vom Gericht durch eigene Erwägungen nachvollziehbar gemacht werden:
"Eine Verwertbarkeit des hier in Rede stehenden Gutachtens für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus den – eigenen, nicht im Gutachten enthaltenen – Erwägungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, mit denen es aufzeigen will, aus welchen Gründen das Gutachten gleichwohl schlüssig sei. Ist – wie vorliegend – ein Gutachten aus sich heraus nicht nachvollziehbar oder fehlt es ihm aus anderen Gründen an der Schlüssigkeit, kann dieser Mangel nicht durch eigene Erwägungen des Gerichts behoben werden. Das Gericht darf sich nicht an die Stelle des oder der sachverständigen Gutachter(s) begeben, weil ihm hierfür regelmäßig die einschlägige Fachkunde fehlt."
Somit bestünden nach alledem lediglich Zweifel an der Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers.
Im Entziehungsverfahren würden solche Zweifel nicht genügen. Die weiter bestehenden Zweifel müssten von der Fahrerlaubnisbehörde zwar aufgeklärt werden. Den (bisherigen) Entziehungsbescheid würden sie indes nicht tragen.
Im Ergebnis erhielt der Fahrerlaubnisinhaber seinen Führerschein vorläufig zurück.
Allerdings ist die Sache damit noch nicht endgültig ausgestanden. Denn diesbezüglichen Hinweisen im gerichtlichen Beschluss war durchaus zu entnehmen, dass dem Fahrerlaubnisinhaber im Rahmen einer weiteren Begutachtung weitere Nachweise abverlangt würden. Soweit er bereits eine temporäre Abstinenz nachgewiesen hatte, wird dies allein in einer weiteren Begutachtung nicht genügen:
"Ob der Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllt, ist – anders als er meint – allein mit einem belegten temporären Drogenverzicht nicht nachgewiesen. Zusätzlich ist der Nachweis eines tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandels zu führen, der es hinreichend wahrscheinlich macht, dass der Antragsteller die von ihm geltend gemachte derzeitige Abstinenz auch in Zukunft einhalten oder zumindest ein im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV hinnehmbares Konsummuster an den Tag legen wird. Die Frage, ob sich bei ihm eine derartige nachhaltige Einstellungsänderung vollzogen hat, ist aber nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu beantworten."
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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